Gesetzliche Pflicht des Arbeitgebers zur Arbeitszeiterfassung

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat entschieden, dass sich aus dem Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) eine Pflicht des Arbeitgebers zur Arbeitszeiterfassung ergibt.

 

Der Arbeitgeber muss sicherstellen, dass über ein geeignetes Zeiterfassungssystem die Arbeitszeit tatsächlich erfasst wird, in dem Lage, Beginn, Dauer und Ende der Arbeitszeit dokumentiert werden. Die bloße Notiz der Gesamtarbeits- und Pausenzeit reicht hierfür nicht aus.

 

Ob die Zeiterfassung auf elektronische Weise oder analog erfolgt, ist ihm hingegen (noch) freigestellt.

Im November 2023 wurde jedoch bekannt, dass derzeit innerhalb der Bundesregierung über einen Gesetzesentwurf beraten wird, durch welchen die elektronische Erfassung der Arbeitszeit verpflichtend werden würde.

 

Der Betriebsrat hat nach derzeitiger Rechtslage kein Initiativrecht bezüglich der Einführung eines elektronischen Zeiterfassungssystems. Da der Arbeitgeber zur Einführung des Arbeitszeiterfassungssystems bereits gesetzlich verpflichtet ist, besteht auf der Stufe des „Obs“ der Zeiterfassung gerade kein Mitwirkungsrecht des Betriebsrates. Beim „Wie“ der Zeiterfassung kann er hingegen mitwirken, wobei er jedoch auch hier den Arbeitgeber nicht dazu verpflichten kann, eine bestimmte Form der Zeiterfassung einzuführen. Seine Mitwirkungsrechte beschränken sich somit, solange eine Form der Arbeitszeiterfassung (noch) nicht gesetzlich vorgeschrieben ist, nur auf die konkrete Umsetzung der vom Arbeitgeber gewählten Variante.

 

Fundstelle: Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts Erfurt vom 13.09.2022 – Az. 1 ABR 22/21

Urlaubsansprüche verjähren nicht automatisch

Eine Arbeitnehmerin verlangte von ihrem ehemaligen Arbeitgeber die Abgeltung von 101 Urlaubstagen aus dem Zeitraum 2011 bis 2017. Der Arbeitgeber berief sich darauf, dass ihre Urlaubsansprüche jedenfalls teilweise bereits verjährt seien.

 

Grundsätzlich verfällt der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch von vier Wochen am Jahresende. Falls dringende betriebliche oder persönliche Gründe dem Urlaub entgegenstanden, wird er in das folgende Jahr übertragen, ist dann jedoch bis März zu nehmen.

 

Vor diesem drohenden Verfall des Urlaubsanspruches müssen Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer jedoch warnen. Tun sie dies nicht, muss der ungenutzte Urlaub nicht bis März genommen werden, sondern erhöht stattdessen den gesamten Urlaubsanspruch des Folgejahres. Hierdurch können sich im Laufe der Jahre erhebliche Urlaubsansprüche, wie in dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall, aufsummieren.

 

Nach dem BGB verjähren jedoch alle Ansprüche grundsätzlich automatisch nach drei Jahren, sofern keine anderweitigen Spezialregelungen einschlägig sind. Ob dies auch für Urlaubsansprüche der Fall ist, hatte das Bundesarbeitsgericht (BAG) zunächst dem Europäischen Gerichtshof zur Klärung vorgelegt. Nach dessen Entscheidung fiel die Beantwortung dieser Frage durch das BAG zweiteilig aus:

 

Erstens verjähren auch Urlaubsansprüche nach den Vorschriften des BGB nach drei Jahren, jedoch beginnt zweitens diese Verjährungsfrist nicht automatisch mit Ende des Jahres, in welchem der Urlaubsanspruch entstand, zu laufen. Vielmehr muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über die gesetzlichen Verfallsfristen seiner Urlaubsansprüche informieren, um den Beginn der Verjährungsfrist zum Jahresende auszulösen. Somit verjähren Urlaubsansprüche nur dann nach der gesetzlichen Frist von drei Jahren, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer tatsächlich in die Lage versetzt hat, seinen Urlaubsanspruch fristwahrend wahrzunehmen.

 

Fundstelle: Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts Erfurt vom 20.12.2022 – Az. 9 AZR 266/20

Kürzung des Urlaubsanspruchs bei Kurzarbeit

Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass der Urlaubsanspruch gekürzt werden kann, wenn aufgrund von Kurzarbeit einzelne Arbeitstage vollständig ausfallen.

Hintergrund war die Klage einer Verkaufshilfe, deren Arbeitgeberin aufgrund der Corona-Pandemie Kurzarbeit eingeführt hatte. So war die Klägerin in den Monaten April, Mai und Oktober 2020 vollständig von der Arbeitspflicht befreit, während sie in den Monaten November und Dezember lediglich 5 Tage zu arbeiten hatte. Da die Klägerin normalerweise an drei Tagen die Woche tätig war, hätte ihr laut Arbeitsvertrag ein Jahresurlaub von 14,5 Arbeitstagen zugestanden. Die Beklagte nahm jedoch aufgrund des Arbeitsausfalls eine Neuberechnung des Urlaubs vor und bezifferte den Jahresurlaub für 2020 nun auf 11,5 Arbeitstage. Weiterlesen

Beschäftigungsanspruch vs. Befreiung von Maskenpflicht

Ein Verwaltungsmitarbeiter in einem Rathaus hatte der Stadt als seiner Arbeitgeberin zwei Atteste vorgelegt, die ihn von der Maskenpflicht bzw. der Pflicht zum Tragen von Gesichtsvisieren befreiten, was die Stadt ablehnte. Auch Homeoffice als Alternative kam für die Stadt nicht infrage.

Das Landesarbeitsgericht Köln bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung des Arbeitsgerichts Siegburg, die der Stadt Recht gab: Das Tragen einer FFP-2-Maske diene dem Infektionsschutz der Mitarbeiter, der Besucher des Rathauses sowie des Klägers selbst. Diese Schutzmaßnahmen zu gewährleisten sei Pflicht der Arbeitgeberin und ergebe sich aus § 3 Abs. 1 d) der seit dem 07.04.2021 geltenden Coronaschutzverordnung des Landes NRW sowie aus § 2 Abs. 5 Nr. 3 der SARS-VoV-2-Arbeitsschutzverordnung vom 21.01.2021 in der Form vom 11.03.2021. Auch sei die Anordnung durch das Direktionsrecht der Stadt gedeckt.

Mit einem entsprechenden Attest sei der Kläger somit arbeitsunfähig. Da zumindest Teile seiner Aufgaben vor Ort im Rathaus erledigt werden müssten, käme auch ein Home-Office-Arbeitsplatz nicht infrage, zumal eine teilweise Tätigkeit zu Hause die Arbeitsunfähigkeit nicht beseitigen würde.

 

Fundstelle: LArbG Köln, Entscheidung vom 12.04.2021 – Az.: 2 SaGa 1/21

Mitbestimmung eines Betriebsrates im Krankenhaus bei Maßnahmen zur Vermeidung von Gesundheitsschäden

Ohne Beteiligung des Betriebsrats hat eine Krankenhausbetreiberin während der Corona-Pandemie ein System entwickelt, um den Zutritt und Aufenthalt betriebsfremder Personen auf dem Gelände zu dokumentieren.

Auf Antrag des Betriebsrats hat das Arbeitsgericht Siegburg eine Einigungsstelle eingesetzt. Das von der Krankenhausbetreiberin daraufhin angerufene Landesarbeitsgericht Köln hat den Beschluss bestätigt. Die Beschwerde der Arbeitgeberin wurde zurückgewiesen und dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht zugebilligt. Dieses bezieht sich auf sämtliche Maßnahmen der Krankenhausbetreiberin zur Vermeidung von Gesundheitsschäden, die Rahmenvorschriften spezifizieren. Hierzu zählt auch § 5 Abs. 1 der Coronaschutzverordnung NRW, wonach das Krankenhaus sämtliche Vorkehrungen zu treffen habe, um den Eintrag von Corona-Viren zu erschweren. Auf Grundlage dessen sind Besuche nur unter Einhaltung der Richtlinien des Robert-Koch-Instituts für Hygiene- und Infektionsschutz zulässig. Für deren Umsetzung besteht ein Spielraum, der die Mitbestimmung des Betriebsrats ermöglicht.

Fundstelle: Landesarbeitsgericht Köln, Entscheidung vom 22.01.2021 – 9 TaBV 58/20

Amtsausübung durch Personalratsmitglied nach außerordentlicher Kündigung

Ein seit 1993 Tarifbeschäftigter beim Bundesnachrichtendienst (BND) wurde einige Monate nach seiner Wahl in den Gesamtpersonalrat beim BND in Berlin mit Zustimmung der anderen Mitglieder des Gesamtpersonalrats außerordentlich gekündigt. Gegen diese Kündigung erhob er Kündigungsschutzklage. Zusätzlich hatte er in einem eingeleiteten personalvertretungsrechtlichen Hauptsache- und Eilverfahren beantragt, feststellen zu lassen, dass der Beschluss des Gesamtpersonalrats unwirksam und er somit weiterhin Mitglied war. Auf diese Weise wollte der Tarifbeschäftigte nicht an der Ausübung seines Personalratsamtes bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung behindert werden. Weiterlesen

Home-Office statt Änderungskündigung beim Standortwechsel

Aufgrund einer Verlagerung des Arbeitsstandortes von Berlin nach Wuppertal ist einer Klägerin gekündet worden. Die Klägerin wandte ein, dass ihre Arbeit insoweit digitalisiert sei, dass sie diese von zuhause aus erledigen könnte. Weshalb die Klägerin bei der Arbeit körperlich anwesend sein sollte, konnte die Beklagte nicht hervorbringen und begründete ihre Entscheidung lediglich mit dem Standortwechsel.

Im darauf folgenden Gerichtsverfahren hat das Arbeitsgericht Berlin entschieden, dass bei solchen betriebsbedingten Änderungskündigungen das Home-Office die sanfteste Alternative ist. Zum einen sei die Klägerin wegen des Home-Office ihres Mannes und der Digitalisierung ihrer Arbeit mit der elektronischen Arbeit von zuhause aus vertraut, zum anderen sei die digitale Arbeit in der heutigen Zeit nicht unüblich.

Fundstelle: Arbeitsgericht Berlin, Entscheidung vom 10.08.2020 – 19 Ca 13189/19 (noch nicht rechtskräftig)

24-Stunden-Pflege vs. 30 Wochenstunden Arbeitszeit?

Eine deutsche Agentur, die mit dem Angebot „24 Stunden Pflege zu Hause“ wirbt, hatte über einen bulgarischen Arbeitgeber eine Pflegekraft vermittelt bekommen. Die Frau mit bulgarischer Staatsangehörigkeit sollte bei einer hilfsbedürftigen 96-jährigen Dame in Deutschland wohnen und sie umfassend betreuen (Körperpflege, Hilfe beim Essen, Führung des Haushalts, Gesellschaftleisten). Im Arbeitsvertrag war jedoch nur eine Arbeitszeit von 30 Stunden wöchentlich zum Mindestlohn vereinbart. Die Frau klagte dagegen vor Gericht. Weiterlesen

Einsichtnahme des Betriebsrats in elektronische Personalakten ohne Zustimmung der Arbeitnehmer?

Der Gesamtbetriebsrat eines Anbieters von Produkten und Dienstleistungen rund um Mobilfunk, Datendienste etc. begehrte Zugriff auf die elektronischen Personalakten der Mitarbeiter des Unternehmens und berief sich auf einen Passus der Gesamtbetriebsvereinbarung, wonach ihm eine solche Einsichtnahme erlaubt sei. Die Arbeitgeberin verweigerte diesen Zugriff jedoch, woraufhin der Gesamtbetriebsrat eine Klärung vor Gericht anstrebte.

Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht als Berufungsinstanz wiesen die Anträge des Gesamtbetriebsrats zurück. Entsprechender Passus sei unwirksam, da eine generelle Einsichtnahme ohne Zustimmung der Arbeitnehmer diese in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletze (Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG). Dieses allgemeine Persönlichkeitsrecht haben die Betriebsparteien auch gemäß § 75 Abs. 2 BetrVG zu beachten. Ein derart weites Einsichtsrecht sei zudem für die Arbeit des Betriebsrats nicht erforderlich.

Eine Rechtsbeschwerde wurde vom Landesarbeitsgericht nicht zugelassen.

 

Fundstelle: LArbG Düsseldorf, Entscheidung vom 23.06.2020 – 3 TaBV 65/19

Kündigung bei berechtigter Kritik an Personalabteilung?

Ein Straßenbahnfahrer, der nach einem Arbeitsunfall seine Tätigkeit nicht mehr ausüben konnte, forderte von seiner Arbeitgeberin die Bezahlung seiner vor seinem Unfall geleisteten Mehrarbeitsstunden. Die Arbeitgeberin, ein öffentliches Nahverkehrsunternehmen, sagte ihm dies zu. Als in den nächsten Wochen keine Auszahlung erfolgte, rief der Mitarbeiter in der Personalabteilung des Unternehmens an. Er verlangte von der Mitarbeiterin eine Auszahlung – zumindest als Zwischenzahlung – noch am selben Tag. Die Mitarbeiterin erwiderte, dass sie sich noch mit einem Kollegen dazu besprechen müsse. Der Straßenbahnfahrer ließ sich nicht darauf ein und forderte eine Entscheidung noch am selben Tag, andernfalls würde er Dienstaufsichtsbeschwerde einlegen. Da in den nächsten Stunden keine Reaktion erfolgte, erhob er am Abend desselben Tages Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Mitarbeiterin sowie den stellvertretenden Leiter der Personalabteilung. Darin beschrieb er den Sachverhalt aus seiner Sicht und betonte, dass die Mitarbeiter verpflichtet seien, ihm seine Bezüge auszuzahlen. Da dies nicht geschehen ist, gehe er von Veruntreuung der Gelder durch die Mitarbeiter aus, womit sie sich strafbar machen würden. Einige Zeit später wurde ihm das Geld ausgezahlt. Zudem erhielt er eine fristlose Kündigung, einen Monat später eine ordentliche Kündigung. Die Kündigungen waren unter Hinzuziehung des Inklusionsamtes, des Betriebrats und der Schwerbehindertenvertretung ausgesprochen worden.

Der Straßenbahnfahrer ging gegen die Kündigung vor Gericht. Am Arbeitsgericht wurde diese für unwirksam erklärt. Die Arbeitgeberin legte daraufhin Berufung ein. Weiterlesen