Kündigung bei berechtigter Kritik an Personalabteilung?

Ein Straßenbahnfahrer, der nach einem Arbeitsunfall seine Tätigkeit nicht mehr ausüben konnte, forderte von seiner Arbeitgeberin die Bezahlung seiner vor seinem Unfall geleisteten Mehrarbeitsstunden. Die Arbeitgeberin, ein öffentliches Nahverkehrsunternehmen, sagte ihm dies zu. Als in den nächsten Wochen keine Auszahlung erfolgte, rief der Mitarbeiter in der Personalabteilung des Unternehmens an. Er verlangte von der Mitarbeiterin eine Auszahlung – zumindest als Zwischenzahlung – noch am selben Tag. Die Mitarbeiterin erwiderte, dass sie sich noch mit einem Kollegen dazu besprechen müsse. Der Straßenbahnfahrer ließ sich nicht darauf ein und forderte eine Entscheidung noch am selben Tag, andernfalls würde er Dienstaufsichtsbeschwerde einlegen. Da in den nächsten Stunden keine Reaktion erfolgte, erhob er am Abend desselben Tages Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Mitarbeiterin sowie den stellvertretenden Leiter der Personalabteilung. Darin beschrieb er den Sachverhalt aus seiner Sicht und betonte, dass die Mitarbeiter verpflichtet seien, ihm seine Bezüge auszuzahlen. Da dies nicht geschehen ist, gehe er von Veruntreuung der Gelder durch die Mitarbeiter aus, womit sie sich strafbar machen würden. Einige Zeit später wurde ihm das Geld ausgezahlt. Zudem erhielt er eine fristlose Kündigung, einen Monat später eine ordentliche Kündigung. Die Kündigungen waren unter Hinzuziehung des Inklusionsamtes, des Betriebrats und der Schwerbehindertenvertretung ausgesprochen worden.

Der Straßenbahnfahrer ging gegen die Kündigung vor Gericht. Am Arbeitsgericht wurde diese für unwirksam erklärt. Die Arbeitgeberin legte daraufhin Berufung ein.

Das Landesarbeitsgericht teilte mit, dass der Arbeitnehmer einen berechtigten Anlass gehabt hatte, mittels Dienstaufsichtsbeschwerde gegen seine Arbeitgeberin vorzugehen. Es sei überdies eindeutig zu erkennen gewesen, dass es dem Arbeitnehmer um den Ausdruck seiner Unzufriedenheit gegangen sei. In diesem Licht sei auch der Begriff der Untreue zu verstehen, der vom Arbeitnehmer erkennbar rechtlich unzutreffend gewählt wurde. Auch wenn es sich um eine deutliche Kritik handelt, so bilde diese angesichts des Gesamtzusammenhangs keinen Grund für eine Kündigung.

Aufgrund dieser Einschätzung des Gerichts und der fortdauernden Arbeitsunfähigkeit des Straßenbahnfahrers einigten sich die Parteien auf eine Beendigung des Arbeitsverhältisses unter Zahlung einer Abfindung sowie Urlaubsabgeltung.

 

Fundstelle: LArbG Düsseldorf, Entscheidung vom 04.02.2020 – Az.: 8 Sa 483/19