Verspätete Einleitung eines Disziplinarverfahrens als mildernder Umstand

Eine Dezernentin in einem Landratsamt hatte ihre Dienstpflichten verletzt, indem sie u.a. vom Landrat angeordneten Dienstgesprächen mehrfach unentschuldigt fern geblieben war und dienstinterne Korrespondenz an Dritte weitergeleitet hatte. Sie selbst führte ihre krankheitsbedingten Fehlzeiten auf ein Mobbingverhalten des Landrats und seines Führungsstabs zurück. Eine zu dieser Problematik zwischen ihr und dem Landrat durchgeführte Mediation blieb ergebnislos.

Unterdessen hatte der Landrat der Dezernentin untersagt,  internen Schriftverkehr etc. an Dritte weiterzuleiten, und sie darauf hingewiesen, dass Dienstunfähigkeit durch Vorlage eines ärztlichen Attestes nachzuweisen sei. Ein Disziplinarverfahren wurde jedoch erst einige Zeit später eingeleitet. Es resultierte schließlich in einer Disziplinarklage mit dem Ergebnis, dass das Verwaltungsgericht die beklagte Dezernentin aus dem Beamtenverhältnis entfernte. Eine Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht blieb erfolglos. Erst im Revisionsverfahren beim Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) konnte die Beklagte einen Erfolg verbuchen:

Zunächst wurde sie antragsgemäß wegen dauernder Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzt. Weiterhin wurden die vorinstanzlichen Urteile vom BVerwG aufgehoben und im Rahmen einer eigenen Bemessungsentscheidung das Ruhegehalt der Beklagten für drei Jahre um ein Fünftel gekürzt.

Das BVerwG begründete seine Entscheidung wie folgt: Der Dienstvorgesetzte habe die Pflicht, ein Disziplinarverfahren einzuleiten, sobald sich tatsächliche Anhaltspunkte für ein Dienstvergehen zeigen. In diesem Fall wurde das Disziplinarverfahren zu spät eingeleitet und es sei nicht auszuschließen, dass dieser Mangel das Verfahren beeinflusst hätte. Möglicherweise hätte die Beklagte weitere Pflichtverletzungen unterlassen. Zudem sei nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zunächst auf niederschwellige disziplinare Maßnahmen zurückzugreifen, anstatt zeitlich gestreckt aufgetretene Dienstpflichtverletzungen zu „sammeln“ und sodann mit der schärfsten Disziplinarmaßnahme – der Entfernung aus dem Dienst oder der Aberkennung des Ruhegehalts – zu reagieren. Dieser Mangel kann – so wie in vorliegendem Fall – als Milderungsgrund bei der Verhängung einer Disziplinarmaßnahme berücksichtigt werden. Im Übrigen stellte das BVerwG fest, dass sich Disziplinar- und Mediationsverfahren ausschließen: Wenn ein Disziplinarverfahren eingeleitet werden muss, bestehe kein Raum mehr für die Einleitung oder Fortführung eines Mediationsverfahrens.

 

Fundstelle: Bundesverwaltungsgericht Leipzig, Urteil vom 15.11.2018 – Az.: 2 C 60/17