Anspruch auf Rückdatierung eines Zeugnisses nach Neubewertung?

Ein Jurastudent hatte zwei seiner schriftlichen Prüfungen im Rahmen des zweiten Staatsexamens nicht bestanden und war erfolgreich vor Gericht dagegen vorgegangen. Als er darum bat, ihm ein auf den Monat der letzten bestandenen Prüfungsleistung rückdatiertes Zeugnis auszustellen, wurde ihm nach einiger Zeit ein Zeugnis mit aktuellem Datum ausgehändigt. Es war vom gegenwärtigen Vizepräsidenten unterschrieben. Die Zeitdifferenz zwischen tatsächlich abgelegter Prüfung und Datum des Zeugnisses betrug über 2 ½ Jahre.

Zwar bot die Prüfungsbehörde die Ausstellung eines Begleitschreibens an, in dem „zu dem Prüfungszeugnis beide Daten und die näheren Umstände aufgeführt werden“. Eine Rückdatierung lehnte sie jedoch ab: Der gegenwärtige Vizepräsident der Behörde sei zur damaligen Zeit noch nicht im Amt gewesen, somit ergäbe sich ein Widerspruch. Außerdem wurde u.a. der Grundsatz der Zeugniswahrheit genannt, demzufolge keine Rückdatierung stattfinden könne.

Das Verwaltungsgericht Lüneburg folgte der Argumentation der Prüfungsbehörde nicht. Der Grundsatz der Zeugniswahrheit würde in vorliegendem Fall nicht zutreffen, da es sich weder um ein Arbeitszeugnis handele, noch stehe eine etwaige Unwahrheit hier der Wirksamkeit der eigentlichen Beurkundung entgegen. Zwar gehe es um eine öffentliche Urkunde, jedoch werde keine „Anordnung, Verfügung oder Entscheidung“ abgegeben, für die ein richtiges Datum unerlässlich sei.

Wenn der jetzige Präsident ein rückdatiertes Zeugnis unterschreiben würde, ergäbe sich zwar ein Widerspruch. Dieser sei jedoch hinzunehmen. Der Anspruch des Klägers habe seine Grundlage sowohl in § 11 Abs. 1 Satz 4 NJAG, wo keine Regelungen zur Datierung des Zeugnisses enthalten sind. Vor allem aber komme Art. 3 Abs. 1, 12 Abs. 1 des Grundgesetzes zum Tragen mit dem Gebot der Chancengleichheit. In die Lebenswirklichkeit übertragen, könne ein späteres Datum auf dem Zeugnis bedeuten, dass sich bei einem potentiellen Arbeitgeber Zweifel gegenüber dem Bewerber ergeben. Die Divergenz der Daten könnte zum einen auf einen geführten Prüfungsrechtsstreit und damit die Streitbarkeit des Bewerbers hindeuten. Zum anderen könnte das Zeugnis als weniger aussagekräftig angesehen werden als eine in sich stimmige Urkunde.

Der Grundsatz der Chancengleichheit gebiete somit, das neue Zeugnis unter dem Datum des zuvor ausgestellten Zeugnisses zu unterzeichnen.

 

Fundstelle: VG Lüneburg, Urteil vom 12.03.2020 – Az.: 6 A 280 / 18