Vorübergehende Befreiung von Schulpräsenzpflicht
Dass ein Kind der Primarstufe in Niedersachsen unter bestimmten Bedingungen Anspruch auf eine vorübergehende Befreiung von der Schulpräsenzpflicht hat, stellte das Oberverwaltungsgericht Lüneburg klar.
Es ging um einen Schüler, dessen Eltern aufgrund der Behinderung des Kindes (v.a. Asperger-Syndrom i.V.m. Panikattacken) eine Fernbeschulung (Online-Beschulung) statt der herkömmlichen Schulpräsenz anstrebten. Eine herkömmliche Beschulung erschien nicht möglich und auch ein unternommener Versuch der Hausbeschulung durch eine Sonderpädagogin war im Vorfeld gescheitert. Das Kind reagierte stets mit Panikattacken und starken psychosomatischen Beschwerden auf fremde Menschen und versteckte sich vor der Lehrkraft. Ein Attest eines Facharztes der Kinder- und Jugendpsychiatrie, wonach aufgrund der Beeinträchtigungen des Kindes in diesem Fall nur eine Fernbeschulung in Frage käme, wurde von der Schulbehörde verworfen. Eine derartige Beschulung bereits in der Primarstufe sei – im Gegensatz zur Sekundarstufe, wo dies in Ausnahmefällen erlaubt sei – im niedersächsischen Schulgesetz nicht vorgesehen.
Das OVG gab den Eltern des Kindes recht und stellte u.a. fest, dass eine Schulpräsenzpflicht durch das in Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Kindeswohl und die sich daraus ergebende Schutzpflicht des Staates begrenzt sei. Im vorliegenden Fall sei die Regelung des § 69 des Niedersächsischen Schulgesetzes weit auszulegen.
Fundstelle: OVG Lüneburg, Beschluss vom 10.06.2024 – Az.: 2 ME 20/24