Fehlerhafte Prüferbestimmung führt zu Prüfungswiederholung / Einheit von Prüfungsteilen / Grenzen der Rügeobliegenheit des Prüflings

Eine Lehramtsanwärterin hatte nach dem erfolglosen ersten Prüfungsversuch hinsichtlich der Zweiten Staatsprüfung über das Lehramt an Berufsbildenden Schulen auch die Wiederholungsprüfung nicht bestanden. Die fachpraktischen Prüfungen in beiden Unterrichtsfächern fanden am selben Tag statt. In beiden fachpraktischen Prüfungsteilen erhielt sie die Note „mangelhaft“.

Die Prüfer bemängelten u.a., dass die Referendarin bei der inhaltlichen Gestaltung der ersten Unterrichtsstunde – das Thema war „Zahlungsverkehr“ – eine veraltete Richtlinie verwendet habe. Die Referendarin ging in Widerspruch und führte u.a. an, dass sie diese Richtlinie kurz vor der Prüfung vom Bildungsserver des Kultusministeriums heruntergeladen habe. Im Zuge des Widerspruchsverfahrens seien die Unterlagen auf dem Bildungsserver jedoch gelöscht worden.

In der anschließenden Klage gab das Verwaltungsgericht der Klägerin recht: Die Bewertung des Prüfungsunterrichts I sei zum Teil fehlerhaft, insofern die Gültigkeit der verwendeten Richtlinie bewertet wurde. Die Klägerin habe vom Verbindlichkeitscharakter der Richtlinie durch die Verfügbarkeit auf dem Bildungsserver ausgehen können. Da nun die Prüfungsteile der an einem Tag stattfindenden Staatsexamensprüfung – Prüfungsunterricht I und II sowie mündliche Prüfung – nach § 12 APVO-Lehr eine Einheit bilden, sind neben dem Prüfungsunterricht I auch die übrigen Teile zu wiederholen.

Der Beklagte ging nun seinerseits in Berufung. Im Rahmen des Berufungsverfahrens rügte die Klägerin zudem, dass sich der Prüfungsausschuss in der Wiederholungsprüfung von dem der ersten Prüfung unterschied, da zunächst, wie vorgesehen, vier Prüfer den Ausschuss bildeten, in der Wiederholungsprüfung jedoch fünf. Der Beklagte monierte daraufhin, dass die Klägerin diesen Umstand nicht unverzüglich gerügt habe und verwies auf die Rügeobliegenheit des Prüflings.

Das Oberverwaltungsgericht entschied wiederum im Sinne der Klägerin. Eine nicht vorschriftsmäßige Besetzung des Prüfungsausschusses sei ein Verfahrensfehler, der die rechtlichen Grundlagen der Prüfung betrifft. Dies zu erkennen sei einem Prüfling nicht zumutbar.

 

Fundstelle: OVG Lüneburg, Urteil vom 13.09.2021 – Az.: 2 LB 63 / 21