Nicht ordnungsgemäßes Überdenkungsverfahren muss wiederholt werden

Ein Prüfling legte gegen eine nicht bestandene IHK-Prüfung zum „Geprüften Industriemeister Fachrichtung Kunststoff und Kautschuk“  Widerspruch ein.

Bereits vor der anwaltlichen Begründung des Widerspruchs unternahm der aus drei Mitgliedern bestehende Prüfungsausschuss eine vollständige Neubewertung der schriftlichen Prüfungsleistung. Das Ergebnis, das in einer gemeinsamen Stellungnahme der drei Prüfer festgehalten wurde, umfasste  letztlich noch weniger Punkte, als es die ursprüngliche Korrektur ergeben hatte. 

Nachdem die anwaltliche Widerspruchsbegründung beim Prüfungsausschuss eingegangen war, nahm lediglich der Erstkorrektor dazu Stellung. An der bisherigen Bewertung werde festgehalten, der Widerspruch wurde zurückgewiesen. Nachdem der Prüfling dagegen vor dem Verwaltungsgericht Augsburg Klage eingereicht hatte, legten alle drei Prüfer eine gemeinsame Stellungnahme vor mit dem gleichen Ergebnis.

Das Gericht rügte das Überdenkungsverfahren als rechtsfehlerhaft. Ein solches verwaltungsinternes Verfahren, das den Zweck hat, das Grundrecht der Berufsfreiheit des Prüflings zu schützen, habe sich mit den substantiierten Bewertungsrügen des Prüflings auseinanderzusetzen. Überdies müssen die Prüfer ihre Bewertungen hinreichend und getrennt voneinander schriftlich begründen. Hier erfolgte zunächst bereits vor der Widerspruchsbegründung eine komplette Neubewertung der Prüfung, womit ein Verstoß gegen die Chancengleichheit anderer Prüflinge anzunehmen sei. Im Übrigen seien auch nur Erst- und Zweitkorrektor zum Überdenken berufen gewesen. Vom Zweitprüfer fehlte eine eigenständige Stellungnahme.

Als der Zweitprüfer im Gerichtsverfahren schließlich seine Stellungnahme vorlegte, ging er jedoch nicht auf die Einwendungen des Prüflings ein, sondern erläuterte lediglich seine allgemeine Vorgehensweise bei der Bewertung von Prüfungsantworten.

Das Gericht kam letztlich zu dem Schluss, dass das Überdenkungsverfahren durch den Zweitprüfer nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden war und er auch nicht mehr in der Lage sei, ein solches Verfahren ordnungsgemäß durchzuführen, da er aufgrund der gemeinsamen Stellungnahme mit den beiden anderen Prüfern bereits auf eine Bewertung festgelegt und somit befangen sei. Eine eigenständige und unabhängige Bewertung sei durch ihn nicht mehr möglich.

Aus diesem Grund bestimmte das Gericht, dass ein neuer Zweitprüfer für ein ergänzendes Überdenkungsverfahren herangezogen werden solle, der sich an den erkennbaren Bewertungsmaßstäben der ursprünglichen Prüfer zu orientieren habe, sofern ihm diese nicht unvertretbar erscheinen.

Nach Abschluss eines ordnungsgemäßen Überdenkungsverfahrens werde das Gericht das Verfahren fortsetzen.

Fundstelle: VG Augsburg, Beschluss vom 05.10.2016 – Az.: Au 3 K 15.1425